Welt am Sonntag: Nehmen Sie auch an den gegenwärtigen, den sogenannten "Neuen Kriegen" anteil?
Friedrich Kittler: Einer meiner Doktoranden ist Oberstleutnant der Luftwaffe, stellvertretender Kommandant eines Geschwaders. Der hat Tornado geflogen, jetzt bringt er den Leuten den Eurofighter bei. Ende Mai geht es für ihn nach Afghanistan, wir müssen vorher noch das Rigorosum durchziehen. Der Mann vertritt eine echte Ethik des Kriegers. Er sagt, die Bundeswehroffiziere hätten großen Respekt vor den Taliban-Kommandeuren und umgekehrt. Das würde teilweise auch für die amerikanische Armee gelten, aber nur teilweise. Denn während die US Army sich an Kriegsrecht hält, kommen nachts die Special Forces, und die schießen auch Frauen und Kinder um.
Welt am Sonntag: Worüber promoviert denn Ihr Offizier?
Friedrich Kittler: Darüber, dass es Unsinn ist, den Krieg am Computer zu planen und letztlich auch als Computerspiel zu betreiben. Entscheidungen vor Ort sind nicht simulierbar.
Welt am Sonntag: Will er zurück in die Zeit, als es noch keine Computer gab?
Friedrich Kittler: Er will zurück zu Clausewitz, zur preußischen Auftragstaktik. Die funktioniert auf eigene Faust. Der Kommandant gibt das Ziel aus, und die Soldaten finden die Mittel. In der amerikanischen Armee dagegen wird mit Kadavergehorsam gedrillt. Das beschreibt auch der Jerusalemer Militärhistoriker Martin van Creveld: Ein Wehrmachtssoldat war im Zweiten Weltkrieg an Kampfkraft zehnmal stärker als ein Amerikaner.
Welt am Sonntag: Dann geht es im Krieg am Ende gar nicht um V2-Raketen und Verschlüsselungsmaschinen?
Friedrich Kittler: Es geht um Mannesmut, wenn man es so nennen will. Auch die "Aufschreibesysteme" waren wohl mal ein Akt des Mannesmutes, fürchte ich.
Welt am Sonntag: In letzter Zeit haben Sie sich vom Krieg ab- und seinem Gegenpol zugewandt, der Liebe.
Friedrich Kittler: Über die Liebe will ich im Moment nicht sprechen. Da war ich nicht immer so tapfer.
Welt am Sonntag: Was interessiert Sie an der Liebe?
Friedrich Kittler: Was mich an der Liebe interessiert hat? Der Orgasmus. Wenn man in den Augen der Partnerin nur noch das Weiße sieht, dann ist man auch selber weg. "Im schwindelnden Augenblick des Koitus sind wir alle derselbe Mensch", hat Borges einmal geschrieben.
Andreas Rosenfelder, Welt am Sonntag. "Wir haben uns selber, um daraus zu schöpfen".
(Are you also involved in the current, so-called "new wars"?
One of my PhD students is a lieutenant colonel in the Luftwaffe, acting commander of a squadron. He has flown Tornado jets, and now he's training people to fly the Eurofighter. At the end of May he's off to Afghanistan, and we have to get his doctoral viva out of the way beforehand. The man advocates a genuine warrior ethic. He says that the Bundeswehr officers have huge respect for the Taliban commanders and vice versa. This applies in part to the US army, but only in part. Because although the US army obeys the laws of war, the Special Forces come in at night and kill women and children.
What's your officer writing his PhD thesis about?
About the fact that it makes no sense to plan a war on a computer and to wage it like a computer game. In situ decisions cannot be simulated.
Does he want to return to a time when there were no computers?
He wants to return to Clausewitz and Prussian assignment tactics. These work on initiative. The commander outlines the objective and the soldiers find the means. In the US army, by contrast, it's all about drilling soldiers into slavish obedience. This is also described by the Israeli military historian Martin van Creveld: a WWII Wehrmacht soldier was ten times stronger in terms of fighting abilities than an American.
So war has nothing to do with V2 missiles and cipher machines?
It's about courage, if you can call it that. And the "Discourse Networks" were probably also an act of courage, I fear.
Recently you've moved your focus away from war and turned to the opposite pole, love.
I don't want to talk about love at the moment. I was not always so courageous there.
What interests you about love?
What interested me about love? The orgasm. When you see nothing but the whites of your partner's eyes, then you are gone yourself. "All men, in the vertiginous moment of coitus, are the same man," Borges once wrote.)
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